Brooke Greenberg ist das Kind, das nicht älter wird
Brooke Greenberg aus Baltimore ist 16 Jahre alt. Ihr Körper und ihr Geist sind auf dem Stand einer Vierjährigen. Das Mädchen leidet an einer äußerst seltenen Krankheit. Sie wird älter, ohne zu altern und wenn sie wächst, dann nicht synchron. Forscher suchen in ihren Genen nach dem Geheimnis der ewigen Jugend.
Als Melanie Greenberg am 8. Januar 1993 mit ihrem Mann Howard in Baltimores Sinai-Klinik fuhr, hatte sie sich mit einem Kaiserschnitt in der 36. Woche und der Sorge um ein spätes Frühchen abgefunden. „Das Baby wächst nicht normal“, hatte der Gynäkologe sie beunruhigt und zur vorzeitigen Geburt gedrängt.
Melanie bekam ihr Baby nicht zu sehen. Sie erinnert sich an kaum kontrollierte Panik im OP. Ihr Mädchen, Brooke sollte es heißen, wog knapp 1850 Gramm und wurde mit extrem in den Hüftgelenken verdrehten Beinchen („anterior hip dislocation“) geboren.
Brooke kam auf die Neugeborenen-Intensivstation. Als Melanie und Howard ihr Baby endlich sehen konnten, nuckelte Brooke an einem Fläschchen und sah süß aus. Die Sache mit der Hüfte, flüsterten sie erleichtert unter sich, würde sich einrenken lassen: „Wir glaubten, alles, was Brooke brauchte, wäre zu wachsen.“
Während des ganzen ersten Jahres glaubten sie das. Niemand konnte ahnen, dass Brooke Greenberg einzigartig unter den Erdenkindern war und bald in der medizinischen Fachwelt berühmt sein würde: weil sie nicht wuchs, mindestens nicht synchron; weil sie älter wurde, ohne zu altern; weil sie in einem Kleinkindkörper und einem Kleinkindgemüt gefangen schien wie in ewigem Eis.
Auch Wolfsmenschen werden stigmatisiert
Brooke Greenberg, 16 Jahre und acht Monate alt, misst nun 67 Zentimeter und wiegt 7,4 Kilogramm. Ärzte beziffern ihre mentale Entwicklung auf elf bis zwölf Monate, das Alter ihrer Zähne entspricht einer Achtjährigen, nur das Wachstum ihrer Zellen ist einer 16-Jährigen vergleichbar.
Brooke trägt Windeln, giggelt, wenn man sie kitzelt. Ihre Miene leuchtet auf, wenn sie ihre Mama sieht, sie streckt ihr die Arme entgegen, um hochgenommen zu werden. Brooke läuft in einem Rollgestell, sie hat nie ein Wort gesprochen.
Ihre Schwestern Emily (22, aus einer früheren Ehe Melanies), Caitlin (19) und Carly (13) lieben Brooke über alles. Für nichts in der Welt würden sie ihre immerkleine Schwester Fremden in einer Institution anvertrauen. Wie ihre Eltern, welche „die freundlichste, liebenswürdigste Person in der Welt“ vergöttern.
Gut so. Warum berichten aber Amerikas Medien – warum berichten wir – über den Teenager Brooke Greenberg, der mit vier Jahren aufhörte zu wachsen? Treibt sie getarnte Sensationslust, die ein Mädchen wie Brooke in weniger aufgeklärten Zeiten in ein Kuriositätenkabinett oder in eine Irrenanstalt verbannt hätte?
Es ist eher die Suche nach einem „Dorian-Gray-Gen“, dem Schlüssel zur ewigen, mindestens verlängerten Jugend: Brooke Greenberg ist nach Kenntnis ihrer Ärzte der einzig lebende Mensch, der nicht denselben Zyklus von Verfall und Erneuerung durchläuft wie wir anderen. In Brookes DNS könnte das seit Jahrtausenden von den Menschen hergebetete Geheimnis des Jungbrunnens verborgen sein.
So sieht es, bei aller gebotenen Vorsicht, der Genforscher Richard Walker von der University of South Florida in Tampa. Er vergleicht seit drei Jahren die DNS von Brooke mit den DNS-Sequenzen ihrer drei gesunden Schwestern und jenen ihrer Eltern.
Quelle: Welt.de/....