Wenn Apple eines perfektioniert hat, dann sein Marketing: Wochen, manchmal Monate vor der Einführung eines neuen iPod, eines superflachen Macbooks oder des neuen iPhone-Modells kommen in der Blogosphäre erste Mutmaßungen über die Natur und mögliche neue Features des neuen Produkts auf. Medien, auch SPIEGEL ONLINE, greifen solche Berichte auf, geben wieder was diskutiert wird.
Wenn dann endlich Apple-Chef Steve Jobs auf irgendeinem nur geladenen Gästen zugänglichen Podium den Vorhang lüftet, zeigt sich, was wirklich dran ist an den Gerüchten. Ungeteilte mediale Aufmerksamkeit ist Jobs dabei stets sicher: Die Stilisierung einer profanen Produktveröffentlichung zum Gerüchte-umwehten Event generiert kostenlos mehr Werbeleistung, als selbst ein finanzkräftiges Unternehmen wie Apple wohl zu bezahlen bereit wäre.
Kein Wunder, dass Konkurrenten das alles so neidvoll wie bewundert beobachten. Nun scheint es, dass immer mehr Unternehmen diese Salami-Taktik kopieren wollen. Jüngstes Beispiel: Das Unternehmen United Internet mit seinem DSL-Ableger 1&1, der am Mittwoch ein Konkurrenzgerät zum iPad ankündigte.
Die Vorlaufzeit war in diesem Fall allerdings erheblich kürzer als bei Apple-Ankündigungen. Erst am 19. Juni meldete die " Wirtschaftswoche": "United Internet bringt iPad-Konkurrenten auf den Markt". Eine Bestätigung des Unternehmens selbst blieb vorerst aus, ganz wie man es vom großen Vorbild aus Amerika kennt. Stattdessen bezog sich der Autor des "Wirtschaftswoche"-Artikels auf Quellen aus dem "Umfeld des Westerwälder Unternehmens".
Während zwischen einer solchen Meldung und der tatsächlichen Produkteinführung bei Apple meist etliche Wochen oder Monate liegen, ging es in diesem Fall viel schneller, bis das Unternehmen heute eine offizielle Ankündigung seines SmartPad veröffentlichte. Demnach soll das Gerät bereits ab Anfang Juli verfügbar sein, wird zuerst DSL-Neukunden angeboten und soll für Bestandskunden später auch ohne Vertragsbindung zu kaufen sein.
Eine gewisse Einzigartigkeit
Ein großes Kundeninteresse ist dem neuen Tablet-Rechner schon jetzt sicher, schließlich wurde ja schon seit fast zwei Wochen darüber berichtet. Bleibt die Frage, welcher Art die Quellen sind, aus denen die Gerüchte gespeist wurden. Hat sich da jemand verplappert oder war es eine gezielte Indiskretion, die lanciert wurde, um das Gerät ins Gespräch zu bringen? Ein Einzelfall war die Indiskretion jedenfalls nicht, denn einige Tage nach den ersten Gerüchten präsentierte Touchmemobile sogar eine angebliche Anzeigenwerbung für das Gerät, der aber alle wichtigen und interessanten Angaben fehlten.
Natürlich hätte Selfmade-Milliardär und 1&1-Gründer Ralph Dommermuth seine Marketing-Abteilung auch einfach anweisen können, reichlich Werbung für das neue SmartPad zu schalten. Schließlich platziert sein Unternehmen ohnehin regelmäßig ein- oder mehrseitige Werbung in etlichen Publikationen, hat auf diese Weise auch das mobile E-Mail-Gerät "Pocket Web" beworben, mit dem es den Blackberry-E-Mail-Handys Konkurrenz machen wollte.
Während das "Pocket Web" bei seiner Einführung 2006 aber tatsächlich eine gewisse Einzigartigkeit für sich verbuchen konnte, dürfte es heute erheblich schwerer sein, einen Tablet-PC prominent in Stellung zu bringen. Denn die Konkurrenz ist dieses Mal ungleich härter. Apples iPad wird mittlerweile, auch wegen seiner raschen Einführung, schon fast synonym für die Riege der neuen Flach-Rechner angesehen. Doch die Nachzügler formieren sich zuhauf.
Können sie liefern?
Egal ob Riesenfirmen wie HP und Dell oder kleinere Anbieter wie die französische Archos, alle haben Tablets in der Mache, alle wollen den so verheißungsvollen Markt beackern, und sei es nur per Ankündigung dessen, was da noch kommen soll. Dass man der Herausforderung, diesem Großaufgebot Paroli zu bieten, auch mit ganz einfachen Mitteln begegnen kann, demonstrierte die Berliner Neofonie GmbH sehr plakativ, als sie kurz vor dem Verkaufsbeginn des iPad per Facebook-Gruppe verkündete, dass sie auch im Teich der ganz Großen mitschwimmen wolle.
Das Medienecho auf diese bescheidene und vollkommen kostenlos verbreitete Ankündigung war gigantisch, dürfte dem Unternehmen einige Millionen Euro an Werbeausgaben gespart haben. Dumm nur, dass das Unternehmen sich im Anschluss einige Patzer im Umgang mit der Presse leistete und die Markteinführung seines WeTab mittlerweile bis in den September hinein verschieben musste.
Derartigen Fehlern scheint 1&1 in doppelter Weise vorgebaut zu haben. Zum einen war der Zeitraum zwischen den ersten Andeutungen auf das SmartPad und dessen offizielle Einführung viel kürzer. Zum anderen dürfte - oder vielmehr sollte - das Gerät bald in nennenswerten Stückzahlen im Auslieferungslager des Unternehmens liegen. Zwar ist die Angabe "Auslieferung im Juli" sehr dehnbar, doch sollte 1&1 das Gerät nach all dem Bohei nicht in ausreichender Menge liefern können, könnte es schnell zum Rohrkrepierer werden.
Abo statt Absatz
Technisch zumindest scheint es den bisherigen inoffiziellen Angaben zufolge nicht gerade herausragend zu sein. Sein Bildschirm misst nur sieben Zoll, der Prozessor ist mit nur 500 MHz recht gemächlich unterwegs und der integrierte Arbeitsspeicher könnte mit 256 MB schnell knapp werden. Als Massenspeicher wird 1 GB Flash-Speicher eingebaut und eine 2 GB große SD-Karte mitgeliefert, vernetzt ist es per W-Lan.
Als Betriebssystem wird Googles Android verwendet, für das 1&1 bereits einen speziellen App Store entwickelt, der derzeit aber nur 100 Apps anbietet. Zumindest was diese Daten angeht wird das SmartPad in jeder Hinsicht vom iPad locker überboten. Nur in einer Hinsicht übertrumpft es das Apple-Produkt: In Mobilfunknetze lässt es sich auch über einen UMTS-Surfstick einbinden.
Vor allem aus einem anderen Grund könnte es aber zumindest für 1&1-Kunden interessant sein. Zwar wird es nicht, wie zuvor gemunkelt wurde, über eine Zugangssoftware für die Online-Videothek Maxdome verfügen, soll aber quasi als Multimedia-Fernbedienung für alle Geräte aus dem 1&1-Angebot dienen. So soll sich auch das Maxdome Mediacenter TV damit steuern lassen, über das sich tausende Filme und Fernsehserien abrufen und auf dem Fernseher anschauen lassen.
Kräftiger als das dürfte aber ein anderes Argument auf potentielle Kunden wirken: Es wird bedeutend günstiger angeboten als Apples iPad. Bei Abschluss eines DSL-Neuvertrages mit monatlichen Kosten von anfänglich knapp 30 Euro wird es kostenlos dazugegeben. Wenn man es ohne Vertragsschluss kauft sollen 299 Euro fällig werden. Damit folgt 1&1 allerdings nicht mehr dem Vorbild Apple, sondern der Neofonie. Auch deren WeTab soll zunächst nicht solo erhältlich sein, sondern als Prämie beim Abschluss von Zeitschriftenabos verteilt werden. Ein Konzept, das sicher Erfolg verspricht.
Ob man auf diese Weise aber wirklich im Gesamtmarkt relevante Stückzahlen auf den Markt bringen kann, muss sich erst zeigen. Sicher ist dagegen, dass derartige Kostenlos-Angebote dem Segment der Tablet-PC zusätzlichen Schub verleihen und die vordergründig wenig sinnvollen Geräte in Haushalte bringen, die deren Anschaffung normalerweise nicht planen würden.
