Die Anklage von Julian Assange, dem Gründer der Whistleblowing-Website WikiLeaks, wegen Vergewaltigung war in den letzten Wochen Gegenstand von großem Medieninteresse. Das führte nun dazu, dass eine bekannte Unterstützerin der Website, die isländische Parlamentarierin Birgitta Jonsdottir, Assange zum zumindest temporären Rücktritt aufforderte.

Gegenüber der Website "The Daily Beast" sagte Jonsdottir in einem Telefon-Interview, sie sei dafür, dass Assange seine Rolle als Sprecher von WikiLeaks und Mitglied des Managements zumindest solange aufgebe, bis die polizeilichen Ermittlungen beendet seien. Sie habe dies Assange auch mitgeteilt.



Behauptungen Assanges, dass es sich bei den Anschuldigungen um eine von US-Geheimdiensten inszenierte Schmutzkampagne handelt, bezweifelt Jonsdottir nach der Lektüre zahlreicher schwedischer Polizeiberichte und Nachrichtenmeldungen. Sie hält die Vorgänge vielmehr für eine persönliche Angelegenheit - womöglich ein Missverständnis, ausgelöst durch interkulturelle Schwierigkeiten und Assanges eher geringe soziale Fähigkeiten.

Ihre "Rücktrittsforderung" begründet Jonsdottir damit, dass das Projekt nicht unter diesen privaten Problemen leiden sollte. "Ich bin nicht wütend auf Julian, aber dies ist eine Situation, die offensichtlich außer Kontrolle geraten ist. Diese persönlichen Angelegenheiten sollten nichts mit WikiLeaks zu tun haben. Ich habe ihn sehr dazu gedrängt, sich auf seine rechtlichen Probleme zu konzentrieren und einige andere Leute die Verantwortung übernehmen zu lassen," sagte sie.

Eine weitere Äußerung Jonsdottirs - "es sollte nicht eine Person für WikiLeaks sprechen, sondern viele Personen" - scheint zu Gerüchten zu passen, nach denen der autoritäre Führungsstil des Australiers innerhalb des Projekts in den letzten Monaten teilweise auf Kritik stößt. Diese Berichte sind aber ebenso wenig bestätigt wie ein auf der Whistleblowing-Website Cryptome veröffentlichtes Dokument eines angeblichen WikiLeaks-Insiders, der Assange heftig wegen seiner Entscheidung, seine Rolle bei WikiLeaks weiter auszufüllen, kritisiert.

Wie ernsthaft die Meinungsverschiedenheiten bei WikiLeaks tatsächlich sind und welche Konsequenzen sie eventuell haben werden, ist momentan unklar. Währenddessen steht die Website weiterhin auch mit ihrer eigentlichen Aufgabe in der Öffentlichkeit. So kündigte WikiLeaks-Mitarbeiter Daniel Schmitt vor Kurzem die Veröffentlichung zahlreicher weiterer Dokumente über den Afghanistan-Krieg an. Ebenfalls großes Interesse erregt das Schickal des US-Soldaten Bradley Manning, der beschuldigt wird, WikiLeaks zahlreiche brisante Dokumente über US-Militäreinsätze zugespielt zu haben. Manning sitzt momentan in den USA in Haft und erwartet seinen Prozess. Ihm droht nach Angaben eines Armee-Sprechers eine Freiheitsstrafe von bis zu 52 Jahren. WikiLeaks hatte Manning gleich nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungen Unterstützung zugesichert. Es bleibt also viel zu tun für die Aktivisten - schon aus diesem Grund müssen sie einen Weg finden, ihre internen Meinungsverschiedenheiten zu überwinden.

Quelle: www.gulli.com