In sechs Tagen wird das EU-Parlament in einer Anhörung über das vorgeschlagene Gesetz für europaweite Netzsperren debattieren. Das Gespräch könnte sich durch seine richtungsweisende Funktion als enorm wichtig herausstellen. Die Piratenpartei machte es sich als Netzsperren-Gegner zum Ziel, die Parlamentarier von ihrem Standpunkt zu überzeugen. Mit einer E-Mail-Welle will man sich Gehör verschaffen.

Am 28. und 29. September 2010 wird das EU-Parlament in einer Anhörung über das vorgeschlagene Gesetz für europaweite Netzsperren debattieren. Zwar werden dort keine endgültigen Entscheidungen fallen, dennoch könnte das Gespräch womöglich gravierende Folgen haben.

Die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Cecilia Malmström, hatte Ende März den Vorschlag eingebracht, mit Zugangserschwerungen zu Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten, gegen Kindesmissbrauch vorzugehen. Seitdem mahnen Zensurgegner verstärkt vor solch gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen im Internet. Die Bürgerrechtler vom Arbeitskreis Zensur erklärten ihren Standpunkt: "Statt auf kurzfristige populistische Lösungen zu setzen, wäre es gerade Aufgabe der europäischen Behörden, im Rahmen einer weltweiten Zusammenarbeit dafür zu sorgen, dass derartige Inhalte schnell, dauerhaft und nachhaltig aus dem Internet entfernt und die Täter verurteilt werden." Die allgemein vorherrschende Angst: Wenn die Regierung die Vollmacht innehat, Seiten, die ihnen unlieb sind zu sperren, ist nicht mehr sicher, ob nicht auch Internetpräsenzen die scharfe Kritik an der Politik üben von den Machthabern blockiert werden.

Die deutsche Piratenpartei machte es sich nun im Rahmen der sogenannten „censilia“ Aktionstage zur Aufgabe, den LIBE-Ausschuss der für die Anhörung zuständig ist, über diese kontroversen Standpunkte aufzuklären. Durch das Aufzeigen von mehreren Gegenargumenten sollen die Parlamentarier die Gelegenheit bekommen, „kritische Fragen zu stellen und den Entwurf der Kommission entsprechend zu modifizieren“. „Wir haben hier eine echte Chance die Netzsperren auf europäischer Ebene zu verhindern!“ heißt es bei den Piraten.

Dies alles soll aber scheinbar nicht auf üblichem Wege geschehen. Man ruft auf der eigenen Internetseite die Leser tatsächlich zu einer Art E-Mail Bombardement auf die Parlamentarier auf. In einer Liste mit dem Titel „Members of LIBE“ stehen hierfür, alle E-Mail-Adressen der Beteiligten geschrieben. Sogar Tipps und Hinweise wie man eine E-mail inhaltlich gestalten sollte werden gegeben: „klar machen, dass das Thema WICHTIG ist!“, „überzeugen, dass Netzsperren grundfalsch sind“, etc. Auch Aufzählungen mit diversen Gegenargumenten, mit denen man die Debattierenden konfrontieren solle, sind verlinkt. Ob ein überfülltes Postfach die Politiker tatsächlich umstimmen kann, oder man damit die deren Entscheidung beeinflussen kann, sei dahingestellt.

Neben diesem eher unkonventionellen Projekt richtete man sich auch in einem offenen Brief an die Parlamentarier. Man macht dort deutlich, dass das befürchtete Szenario einer zensierenden Regierung in einigen EU-Mitgliedstaaten schon eingetreten sei. Die Kompetenz, darüber zu urteilen, was blockiert werden sollte, würde im „Malmström-Plan“ in den falschen Händen liegen. Nämlich bei den zuständigen Polizeibehörden oder gar privaten Dienstleistern.
Quelle: Gulli.com
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