Cablegate: US-Botschaftsangehöriger über TPB und die schwedische Piratenpartei

Im Sommer 2009 schaffte es die Piratenpartei - genauer gesagt deren schwedische Version - mit 7,1% der Stimmen erstmals ins EU-Parlament. Das, so zeigen die nun von WikiLeaks veröffentlichten Diplomaten-Depeschen, war den USA einen Bericht wert. Angst vor der neuen politischen Macht schien man aber keine zu haben. Vielmehr sah man die Piraten als hilfreich im Kampf gegen Rechtsradikale an.

Die Nachricht der schwedischen Botschaft an das US-Außenministerium befasst sich mit dem Ausgang der schwedischen Europa-Wahlen im Allgemeinen. Den Piraten allerdings wird - wohl aufgrund der Tatsache, dass sie noch nicht lange eine Rolle im politischen Geschehen spielen - besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Das zeigt schon der Titel des Memos, der etwa mit "Arrrr! Schwedische Piraten setzen Segel auf Brüssel" übersetzt werden könnte - offenbar können auch Diplomaten der Versuchung der Piraten-Metaphorik nicht immer widerstehen.

Das Memo berichtet, dass in den Wahlen die beiden großen Parteien - die "Moderaten" und die "Sozialdemokraten" - fast unveränderte Wahlergebnisse gegenüber 2004 erzielen konnten. Die großen Sieger seien dagegen die Grünen, die Liberalen und die Piratenpartei. Letztere "fand Unterstützung von jungen Wählern, die mit der Entscheidung der Regierung, The Pirate Bay, eine Filesharing-BitTorrent-Seite, die ein Ziel der Motion Picture Association of America (und USTR) geworden war, dichtzumachen, unglücklich sind", so die Beobachtung von Robert Hilton, PR-Berater in der US-Botschaft in Stockholm. Die Abkürzung "USTR" bezeichnet das "Office of the United States Trade Representative". Dieses ist zuständig für die Festlegung der US-Handelsstrategie. Diese Einschätzung ist nicht nur in Bezug auf die Einstufung der Piratenpartei interessant. Vielmehr wird hier auch offen erklärt, dass die MPAA tatsächlich Druck zur Schließung der Filesharing-Seite machte, eine Verbindung, die bisher nur vermutet wurde. Auch die Beteiligung des USTR war bisher nicht allgemein bekannt.

Politisch gesehen misst man der EU-Wahl aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von nur rund 44% keine große Aussagekraft für spätere Wahlen zu. Hilton kommentiert allerdings, das gute Abschneiden der Piratenpartei zeige, dass sich die Parteien womöglich mehr auf junge Wähler konzentrieren sollten.

Die Piratenpartei wird von Hilton als "der große Sieger" bezeichnet. Der Botschaftsangehörige berichtet, die Kampagne der Piraten habe sich vor allem auf "eine Reformierung des Urheberrechts und das Eintreten gegen eines Abhörgesetzes, das von den schwedischen Sicherheitsbehörden vorgeschlagen wurde" konzentriert. Man habe junge Wähler angezogen, die "wütend über den Schuldspruch im Pirate Bay-Prozess, die unbeliebte EU Ipred Direktive und neue nationale Gesetze, die Filesharing kriminalisieren und das Mitlesen von Emails erlauben" seien. Als positiv bewertet Hilton, dass die Stärke der Piraten sich als Nachteil für die "rechtsradikale nationalistische Partei 'Schwedendemokraten'" erweisen könnte. Die Tatsache, dass die Piraten derartig viele Stimmen auf sich vereinen konnten, habe vermutlich die Chancen der Rechten, ins EU-Parlament einzuziehen, erheblich verringert, so die Einschätzung des Botschafts-Mitarbeiters. Die Zielgruppe der Parteien würde sich nämlich überschneiden - beide würden "junge Männer mit einem Misstrauen gegen Politiker" ansprechen. Tatsächlich blieben die Schwedendemokraten mit 3,3% unter dem Anteil, der für einen Einzug ins EU-Parlament erforderlich gewesen wäre. "In jedem Fall erregte der überwältigende Zuwachs der Piraten unter den jungen Wählern die Aufmerksamkeit der größeren Parteien, das sagte uns unser Kontakt, die sich nun bemühen, sich politische Maßnahmen einfallen zu lassen, die die Jugend wieder zum Mainstream zurücklocken". Ähnlich wurden die Erfolge der Piratenparteien in mehreren europäischen Ländern von vielen politischen Beobachtern eingeschätzt: als "Weckruf" für die etablierten Parteien, netzpolitische und Urheberrechts-Themen sowie die jungen Wähler stärker zu beachten.

In den Parlamentswahlen im vergangenen September konnten die Piraten mit 0,65% bei Weitem nicht mehr so gut abschneiden. Ob es sich dabei um einen allgemeinen Trend handelt, oder ob dies eher der Wahlbeteiligung zuzuschreiben ist, ist fraglich.

Quelle: gulli:news