Konflikt - Israel bleibt hart im Siedlungsstreit mit den Palästinensern

Alle Appelle haben bislang ebenso wenig gefruchtet wie hektische Pendeldiplomatie. Israel bleibt im Siedlungsstreit weiter hart. Selbst weitreichende Sicherheitsgarantien der US-Regierung haben die Führung in Jerusalem offenbar nicht umstimmen können.

Der US-Vermittler George Mitchell und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitag in Jerusalem offensichtlich vergeblich dazu auf, einen am Sonntag abgelaufenen Baustopp im Westjordanland zu verlängern. Auch die Palästinenserführung signalisierte wenig Bereitschaft zum Einlenken.
Es bestehe große Sorge, dass ein Ende des Moratoriums die Möglichkeit eines langfristigen Friedens gefährde, sagte die EU- Chefdiplomatin. Sie habe die israelische Führung deshalb dazu gedrängt, den Baustopp fortzusetzen, um den Friedensgesprächen mehr Zeit für Fortschritte zu geben. „Ich bedaure, dass sie sich bislang nicht dazu entschieden hat“, sagte Ashton.

[...]Abbas verlangt, dass Israel seinen Baustopp im Westjordanland während der Friedensverhandlungen fortsetzt. Netanjahu lehnt das unter anderem mit dem Hinweis auf sein öffentliches Versprechen ab, dass nach Ablauf des zehnmonatigen Baustopps in jüdischen Siedlungen weitergebaut werden könne.

Um Netanjahu bei einem Bruch seiner Zusagen Rückhalt zu geben, soll die US-Regierung Israel weitreichende Garantien in Aussicht gestellt haben. Das Nein Netanjahus habe die Berater Obamas sehr verärgert, berichtete die israelische Tageszeitung „Haaretz“. „Wir nehmen ihm (Netanjahu) die Entschuldigung, dass es politische Schwierigkeiten gibt, nicht mehr ab“, zitierte das Blatt einen hohen US-Beamten. Angeblich soll in diesem Zusammenhang auch das Wort „Verrat“ gefallen sein.

[...]Außerdem soll Obama versprochen haben, dass die US-Regierung über die 60 Tage hinaus keine weitere Verlängerung des Baustopps im Westjordanland verlange. Stattdessen solle die Frage der israelischen Siedlungen bei den Friedensverhandlungen selbst geklärt werden, schreibt der Direktor des Instituts, David Makovsky. Zudem sei von weiteren US-Waffenlieferungen an Israel die Rede.

Quelle: stern.de & focus.de

Kommentar:
Es gibt viele Gründe, warum Netanjahu abgeneigt ist, einer Verlängerung des Baustopps zuzustimmen. Erstens geht es ums Prinzip: Nur Weniges im Nahen Osten hat länger Bestand als „vorübergehende israelische Zugeständnisse“. Diese Liste ist lang und Netanjahu sieht keinen Bedarf, sie zu verlängern. Er sagte am Dienstag, dass jedem klar sein muss, dass es für Jerusalem bestimmte unaufgebbare Grundsätze gibt – Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.

Zweitens riskiert Netanjahu den Bruch der Koalition, wenn er den Baustopp verlängert. Eine große Mehrheit der Minister unterstützt die Fortsetzung der Bautätigkeit in den Siedlungen. Netanjahu sieht keine logischen Gründe dafür, jetzt einem Baustopp zuzustimmen.

Doch wenden wir uns nun dem Anliegen und dem Angebot von Präsident Obama zu. Obama verspricht Folgendes: 1) Die USA wird nach den zusätzlichen zwei (oder drei) Monaten keine Verlängerung des Baustopps verlangen. 2) Die USA wird Maßnahmen unterstützen, um den Schmuggel von Waffen aus Jordanien in den angestrebten palästinensischen Staat zu unterbinden. 3) Die USA wird bei UNO-Resolutionen gegen Israel innerhalb des nächsten Jahres ihr Veto einlegen. 4) Die USA wird Israel mehr und bessere Waffen liefern.

Zu diesen vier Punkten folgen nun einige Anmerkungen und Kommentare. 1) Von den ersten Anfängen vor zehn Monaten an hat die USA versprochen, keine Verlängerung des Baustopps zu fordern. Warum jetzt? Was hat sich verändert? 2) Die USA unterstützen derzeit solche Maßnahmen im Südlibanon – und das hat dazu geführt, dass sich mehr Waffen in den Händen der Terroristen befinden als jemals zuvor in der Geschichte. Sollen wir zudem glauben, dass die USA sich gegen alle arabischen und wahrscheinlich auch viele europäische Staaten stellen wird und darauf bestehen wird, dass es dem neuen palästinensischen Staat nicht erlaubt sein wird, seine Grenzen zu kontrollieren? 3) Das ist seltsam! Natürlich sind UN-Resolutionen gegen Israel normalerweise kaum gerechtfertigt, doch hängt ein Veto gegen eine Resolution nicht von ihrem Inhalt ab? Was sagt dieses Versprechen eines automatischen Vetos über die politische Arbeitsweise und die Moral der Obama-Administration aus? Außerdem ist ein Veto gegen eine gegen Israel gerichtete Resolution meistens auch im Interesse der USA, daher haben die USA bereits häufig ihr Veto eingelegt. Sollte diese Notwendigkeit nach einem Jahr nicht mehr gegeben sein? 4) Dies liegt auch im strategischen Interesse der USA und sichert zusätzlich tausende amerikanische Arbeitsplätze.

Das Obama-Paket wird in positive Worte gekleidet und als ein Überraschungsgeschenk des amerikanischen Präsidenten an Israel präsentiert. In Wahrheit handelt sich aber nicht um ein Geschenk, sondern um eine Drohung. Das Angebot Obamas besteht zum größten Teil aus Dingen, die frühere US-Regierungen Israel bereits angeboten haben. Sie sind Ausdruck des amerikanisch-israelischen Selbstverständnisses, das davon ausgeht, dass Israel immer ein militärisches Übergewicht im Nahen Osten haben wird. Das gilt nicht nur, weil Israel dies für das eigene Überleben braucht, sondern auch, weil Israel der einzige verlässliche Partner der USA im Nahen Osten ist – und ein Partner, der mithilfe seines ausgedehnten und professionellen Geheimdienstapparates einen bedeutenden Beitrag zu Amerikas Sicherheit leistet.

Was Obama also tatsächlich sagt, ist, dass wenn du meine Bedingungen nicht akzeptierst, kann ich die traditionelle amerikanische Unterstützung beenden, wodurch du die militärische Spitzenposition im Nahen Osten verlieren wirst. Beunruhigt diese Aussage Netanjahu? Sicherlich ein wenig, aber möglicherweise nicht so stark, dass er sich dem Druck beugt. Hierfür gibt es mindestens zwei Gründe: Erstens wird Obama große Schwierigkeiten haben, für eine anti-israelische Agenda die Zustimmung des Kongresses zu erhalten, der viel mehr auf der Seite Israels steht als der derzeitige Präsident. Seiner Drohung, wenn sie als solche verstanden wird, fehlt es an Glaubwürdigkeit.

Zweitens scheint Obama wenig Respekt vor Versprechen der Präsidenten an Israel zu haben. Entgegen der normalen Praxis im Weißen Haus ignoriert er einfach das Versprechen des ehemaligen Präsidenten George Bush, das dieser in seinem berühmten Brief aus dem Jahr 2004 gegeben hat. Hierin wird zugesagt, Israel könnte in einigen der wichtigen Siedlungen weiterbauen und sie zu behalten. Außerdem gibt trotz des vor einem Jahr gegebenen Versprechens Obamas, er werde Zugeständnisse der arabischen Staaten erhalten, wenn Netanjahu dem zehnmonatigen Baustopp zustimmen würde, bis heute keine Zugeständnisse. Es könnte also ganz einfach sein: Netanjahu vertraut Obama nicht, er glaubt nicht daran, dass Israel bekommen wird, was versprochen wurde, auch wenn er eine Verlängerung des Baustopps akzeptieren würde. Gleichermaßen bedeutsam ist folgender Gedanke: Aufgrund der engen amerikanisch-israelischen Beziehungen und der allgemeinen Interessenlage wird Israel diese Dinge wahrscheinlich ohnehin bekommen – wenn auch nur nach Drohungen, Verhandlungen und erbittertem politischem Gerangel.

Quelle: Israel Report