Nie war Schwarzsehen so einfach wie heute. Aktuelle Kinohits oder TV-Serien kann jeder direkt online anschauen – auf neuen illegalen Streaming“-Portalen, die ein Millionenpublikum anziehen. Zum Shootingstar in Deutschland avancierte dabei Kino.to. Rund vier Millionen Zuschauer im Monat erreicht die Seite inzwischen. Über 10000 Leinwandstreifen und mehr als 25000 TV-Serien hat sie im Repertoire, vom brandneuen Drama Der Vorleser“ bis zur Kultserie Die Simpsons“. Alles kostenlos und mit Breitbandanschluss anzusehen wie Lieschen Müllers selbst gedrehte Nabelschau auf YouTube. Da Nutzer die Videos als direkten Datenstrom (Stream“) über das Web betrachten, braucht es kaum technisches Know-how. Zumindest entfällt das langwierige Herunterladen des ganzen Films mit Spezialprogrammen wie bei gängigen BitTorrent-Tauschbörsen.
Das Schmarotzen via Stream ist zudem völlig legal. Gesetzlich verboten ist nur die Verbreitung von rechtswidrig hergestellten Kopien urheberrechtlich geschützter Werke, nicht das Konsumieren“, erläutert der Rechtsanwalt und Experte für Urheberrecht Christian Solmecke. Auch wenn dem Nutzer klar sein dürfte, dass ein aktueller Kinofilm auf Kino.to nur illegal mitgeschnitten sein kann, macht er sich durch dessen Anschauen hierzulande nicht strafbar.
Anders sieht es dagegen für die Vertreiber der Inhalte aus. Kino.to steht auf unserer Fahndungsliste ganz weit oben“, sagt Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), die im Auftrag der Filmindustrie agiert. Für den deutschen Markt listet die GVU bereits 90 gesetzeswidrige Streaming-Seiten. Nach internen Studien nahm die weltweite Nutzung solcher Websites allein im vergangenen halben Jahr um zehn Prozent zu. Seit 2008 ermittelt die GVU gegen die Kino.to-Betreiber, die höchstwahrscheinlich Deutsche sind.
Deren Aufspüren gestaltet sich allerdings nicht leicht. Die benutzten Server befinden sich derzeit in Russland. Da kommen wir schwer ran“, klagt Leonardy. Auch die dubiosen Werbetreibenden auf der Seite sind juristisch kaum zu fassen. Sie haben ihren Firmensitz in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Keineswegs zufällig wählten die Filmpiraten auch als virtuellen Freibeuterhafen das Südsee-Archipel Tonga. Dem Mini-Inselstaat gehört die Länder-Domain to“. Die dortige Zulassungsbehörde für Internet-Adressen ist bekannt dafür, dass sie sich meist eisern über Daten der Domain-Inhaber ausschweigt.
Die kriminelle Energie der Hintermänner scheint sich nun auch gegen ihre eigene Kundschaft zu richten. Kürzlich wurde Besuchern von Kino.to mit geschickt gestalteten Werbebannern die Vireninfektion des eigenen PCs vorgetäuscht. Ein Klick auf die gefälschte Sicherheitswarnung führte auf eine Website, die dem Nutzer ein kostenloses Anti-Viren-Programm zur Desinfektion des Rechners versprach. Mit der Registrierung schloss das ahnungslose Opfer ungewollt ein Zweijahresabo für 316 Euro ab.
Allein in Deutschland schädigen Raubkopierer die Filmindustrie jährlich um 300 Millionen Euro. Weltweit schätzt der US-Filmverband MPAA den Schaden auf 18 Milliarden Dollar. Laut einer Studie der Universitäten Hamburg und Weimar wirken sich diese Verluste auf alle Vertriebssparten aus. Raubkopierertum führe zu einem Rückgang von Kinobesuchern um gut zwölf, beim Videoverleih um zehn und beim DVD-Verkauf um rund 15 Prozent.