Nach dem Urteil des BVerfG wurde wegen einer EU-Richtlinie über eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Aber wie zwingend ist diese Richtlinie wirklich?
Schon kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März, mit dem es die bis dahin in Deutschland gültige Regelung für verfassungswidrig erklärt und gekippt hatte, wurde über eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Der Grund hierfür war eine Richtlinie der EU. Diese Richtlinie 2006/24/EG wird von den Speicherungsbefürwortern als Verpflichtung angeführt, welche die Bundesregierung zwingen würde, die Vorratsdatenspeicherung mittels eines neuen Gesetzes wieder einzuführen. Dieses Argument scheint jedoch bei weitem nicht so aussagekräftig zu sein, wie es manchen Politikern lieb wäre.
Besagte Richtlinie 2006/24/EG bzw. ihr Erlass beruht auf dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV), dem ehemaligen EG-Vertrag. Besonders bedeutend ist dabei der Artikel 114, der "zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben" ermächtigt. Was bisher in der öffentlichen Diskussion aber nicht erwähnt wurde, sind die Absätze 4 und 6 dieses Artikels:
"(4) Hält es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme […] für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 […] gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit."
"(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten […], die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern. Erlässt die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keinen Beschluss, so gelten die […] einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt. […]"
Wenn man diese Artikel betrachtet, scheint die Nichtharmoniserung durchaus möglich. Bleibt noch die Frage, ob es "wichtige Erfordernisse" auf Seiten Deutschlands gibt. Dazu wiederum hat der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen. Laut ihm ist der Grundrechtsschutz ein Teil der öffentlichen Ordnung und würde eine Abweichung vom Binnenmarktrecht rechtfertigen. Das infrage kommende Recht wäre das der Telekommunikationsfreiheit. Das faktische Verbot der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland würde auch kein willkürliches Mittel zur Diskriminierung und keine verschleierte Beschränkung des Handels sein, ebensowenig wie es das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen würde.
Betrachtet man diese Punkte, dürfte es für die Kommission keinen Grund geben, den deutschen Alleingang abzulehnen. Es liegt also nun allein am Willen der Bundesregierung.
Quelle: www.gulli.com